Neuanfang für Brasiliens Favelas

Das Problem der Favelas lässt sich nicht auf ein Armutsproblem reduzieren, lautet die Erkenntnis einer neueren wissenschaftlichen Arbeit. Anlässlich des allgemeinen Brasilienschwerpunktes empfiehlt sich da hineinzulesen (siehe auch Verlinkung unten) und die Ergebnisse lauten: Der private Wohnbau Brasiliens hat es unter den gegeben Bedingungen einer neoliberalen Stadtpolitik in den Metropolen schwer, sozial verträgliche Siedlungsformen hervor zu bringen. Dies führt gleichzeitig mit dem anhaltenden städtischen Zuzug dazu, dass auf informellem Weg, Flächen gesucht oder unter der Hand bereit gestellt werden, die dann individuell Bebaut werden. Die so entstehenden informellen Siedlungen sind zwar billig aber eben an urbane Versorgungseinrichtungen nicht angeschlossen. Dieses bekannte Phänomen wird so lange politisch toleriert, so lange die Folgeeffekte gering sind. Wachsen die Siedlungen oder verursachen sie soziale oder ökologische Probleme, ist Handlungsbedarf gegeben. Weil aber keine regulären Verhältnisse herrschen, sind für eine nachträglichen Verbesserung schwierige Voraussetzungen gegeben.

So wird damit umgegangen

IN THE FAVELLASVersuche, die Favelas in den städtischen Verbund zu integrieren, sind einerseits wegen der gesellschaftlichen Ausgrenzung und andererseits wegen hohen Kosten schwierig. Zwei öfters praktizierte Möglichkeiten, bei denen die angesprochenen Hindernisse überwunden werden, sind einerseits Sanierungen (unter Beteiligung von staatlichen und internationalen Geldgebern). Zum Anderen werden (mithilfe von Investoren) alternative Behausungen bereit gestellt um von den Favelados besetztes, profitables Land frei zu machen. Beide Möglichkeiten sind Ansätze, die stark extern vorgeben, welcherart sich die Lebensverhältnisse der Betroffenen verändern werden. Die dritte Möglichkeit des Vorgehens, welche heutzutage zumindest offiziell nur in Ausnahmefällen praktiziert wird, nämlich die zwangsweise Entfernung aus einem Gebiet nimmt auf die Bedürfnisse der Betroffenen noch weniger Rücksicht (Im Bild die größte Favela Rios: Rocinha).

Brazilian favela

Die Favela “weiterbauen”

Aus demokratiepolitischer Sicht aber auch aus Sicht eines nachhaltigen Umgangs mit der Wohnform Favela, ist ein alternatives Vorgehen erforderlich, das sich nicht nur an den Vorstellungen der politischen Establishments orientiert. Die Einbeziehung von lokalen Initiativen (Partizipation) gepaart mit fremdem Know-How kann zu einem gezielten Mitteleinsatz führen, der für Favelas in Folge einen Mehrwert schafft. Lösungsansätze, die das Sozialkapital erhalten und das vorhandene Humankapital mit einbeziehen, sind im Sinne einer nachhaltigen Aufwertung im Sinne der Bewohner und der Bewohner in der Umgebung zu bevorzugen. Dafür bedarf es vorab einer weitgehenden Erhebung des Bestandes und der Ermittlung der Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner, sowie der Bereitschaft, den Bewohnern ihre Möglichkeiten der autonomen Entwicklung, (zwar nicht auf Basis organisierter Kriminalität, aber eben doch) nicht gänzlich zu nehmen. Strukturelle Aufwertungsmaßnahmen (wie Anbauflächen für die Selbstversorgung und dgl.) zu fördern macht Sinn, weil diese auch private Initiativen anregen. (PM)

Planungen für Favelas (Link)

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