Wolfgang Richter über Leerstand und Standortanalyse

Was ist immer so schrecklich an Leerstand?

Leerstand ist aus der Sicht der Ästhetik des Stadtbildes etwas, das negativ wahrgenommen wird und  strahlt dann imagemäßig auch auf die Umgebung aus. Für eine Handelszone ist er daher immer auch ein Zeichen von Schwäche.

Gibt es eine einfache Erklärung für das Phänomen?

Im Prinzip sind strukturelle Probleme dafür verantwortlich und zwar im Bereich der Gebäudestruktur. Kleine Läden in Altbauten haben vielleicht eine schöne Lochfassade, sind aber baulich für den Handel heute ungeeignet. Störende Feuermauern können nicht entfernt werden, die Lokale sind vielleicht feucht oder haben Stufen. Geschäfte müssen die Menschen außerdem heute wohin locken und wenn das wolfgang_richter_press1_2_newnicht vorhanden ist, kommen auch Strukturprobleme was den Einzelhandel betrifft. Man muss sich als Geschäftsmann einfach auch die Frage stellen, ob ein Betriebstyp noch aktuell ist, also ob das Sortiment passt, oder die Dinge nachgefragt werden? Die Kundenbedürfnisse haben sich ja verändert.

Wie schätzen Sie die Möglichkeiten der Neuverwertung von Leerstandflächen ein?

Eine alternative Nutzung muss sich erst einmal rechnen, um dafür zu investieren. In den Bezirkshauptorten oder kleinen Gemeinden ist ein wichtiger Faktor außerdem, dass die Eigentümer manchmal keine Motivation sehen, da etwas anzufangen. In anderen Fällen in der Stadt gibt es hingegen des öfteren Eigentümergemeinschaften, die schwer dazu zu bewegen sind, etwas zu unternehmen, weil sie über die ganze Welt verstreut sind oder sich mit einem vorgeschlagenen Umbau nicht die gewünschten Einnahmen erzielen lassen.

Was halten Sie von Online-Vernetzung als Mittel der Lerstandsbekämpfung?

Onlinepräsenz nur um das Vernetzen willen, bringt noch keinen zusätzlichen Kundennutzen. Wenn allerdings der Standort schlecht ist, kann zum Beispiel ein Elektrohändler, wenn er günstig ist, gegenüber bekannten, großen Einzelhändlern an Konkurrenzfähigkeit gewinnen. Die Kommunikation des Dienstleistungsangebotes einer Einkaufszone übers Internet ist deshalb nicht von wesentlicher Bedeutung, weil die Attraktivität von einzelnen Frequenzbringern ausgeht und man heutzutage alleine wegen ihnen kommt. Von weiteren Geschäften geht dann ein Zusatznutzen aus.

Früher gab es ja Agglomerationen in den Städten je nach Gewerbe?

Schlosser machten Lärm, Färber produzierten Gestank und daher waren die früher auf einem Ort konzentriert. Dies geschah also aus stadtplanerischen Aspekten heraus und nicht wegen der Kundenausrichtung. Heute geschieht dies hingegen vor dem Hintergrund, dass ein Kunde dort hin kommt, wo die Geschäfte einer Branche konzentriert sind, weil er weiss, er findet hier was er sucht oder nirgendwo. Agglomerationen von Geschäften aus der selben Branche bieten insbesondere Vorteile im Bekleidungs- und Schuhandel sowie im Möbelhandel. Hier gibt es große Synergie-Effekte in diese Richtung, die aber eben je nach Branche unterschiedlich groß sind.

Was leistet die Standortanalyse, insbesondere wenn man an eine Geschäftsgründung denkt?

Eine gute Standortanalyse muss Sicherheit geben. Das kann Sicherheit sein in Bezug auf einen Standort – ja er ist gut oder aber auch dagegen – nein er ist nicht gut. Wenn man es in Beziehung setzt zu dem Risiko eines Investments, lohnt sich eine gute Standortanalyse immer. Oft kann es insbesondere bei Unternehmensgründern der Fall sein, dass da auch Träume platzen.

Wolfgang Richter (55) studierte Raumplanung und Regionalwissenschaft an der TU Wien und gründete 1984 das Consulting-Unternehmen RegioPlan, in dem er seitdem als Geschäftsführer tätig ist.