Wohnen 50 Jahre danach – Gartenstadt Puchenau

Die Erfindung der Gartenstadt war die Antwort der Städtebauer auf die laute und ungesunde Stadt des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Charakterisiert ist sie über eine niedrige aber dichte Bebauung, kleine private Grünflächen, fußläufige öffentliche Wege mit Ruhe im Inneren und die Errichtung auf billigen Grundstücken in Randlagen. Grund genug um eine Bestandsaufnahme in der ab 1962 zur Realisierung gelangten Gartenstadt Puchenau zu machen. Der österreichische Architekt und Stadtplaner Roland Rainer hatte hier einen seinem Verständnis nach idealen Wohnbau umgesetzt.

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Privatheit

„Die Gestaltung der Wohnungen nimmt Rücksicht auf den Wunsch nach Privatheit in der Familie“, hatte der Doyen moderner österreichischer Architektur seine Planungsgrundsätze formuliert. Ein Besuch in Linz Puchenau zeigt, dass die Gärtchen vor dem Haus jenen ganz privaten Rückzugsraum auch tatsächlich bieten (siehe Fotostrecke). Eine Gartenstadt ist aber mehr als das und auch mehr als eine Reihenhaussiedlung. Letztere besteht in der Regel einfach aus Häuserzeilen mit der Straße vorne und hinten dem Garten. Gartenstädte hingegen haben auch eine autofreie innere Erschließung, Gemeinschaftseinrichtungen und kommen insgesamt mit wenig Fläche aus.

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Hohe Mauern schließen das Grün ein

Zwecks der Abgrenzung bei so viel Enge gibt es in Puchenau Mauern und die sind 1,80 Meter hoch und aus Beton. „Das sind Wohnzimmer im Freien“, beschreibt Rainers Tochter, Architektin Johanna Rainer im Interview mit branchenfrei[ ]at das Gartengrün vor den Wohneinheiten. Zur Ummauerung dieser Flächen stellt sie fest: „Gegenüber einem Maschendrahtzaun gibt es zahlreiche Vorteile. Es zieht nicht durch, die Luft wärmt sich an der Mauer besser auf und man ist schallgeschützter.“ In Puchenau würden die Mauern von den Mietern sogar fallweise aufgestockt. Ansehnlicher gemacht wurden diese außerdem, zum Beispiel indem Blumenkisten hinauf gestellt hat oder man Efeu hoch ranken ließ. Solcherart sind die Gärten auch optimal genutzt, denn mit rund 70 Quadratmetern sind sie nicht großzügig bemessen. Johanna Rainer sieht die „Garteninseln“ ungeachtet dessen im Vorteil: „Steht das Haus frei in der Mitte, ist der Garten rundum zur Restfläche degradiert“. Mehr Lebensqualität ginge also auch mit weniger Quadratmetern.

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Abwechslung und Wiederholung

Die Gebäude in der Gartensiedlung rücken einfach näher zusammen. Durch Variationen in der Zeilenbebauung kommt auch keine Monotonie auf, selbst wenn sich die Baukörper wiederholen. Vordenker Roland Rainer, der selbst in einer Gründerzeitwohnung in Wien Hietzing aufgewachsen ist, war es laut Johanna Rainer immer ein Anliegen angenehmere Wohnungen als diese zu schaffen. Er sprach daher von der Gartensiedlung als „die ideale Wohnform“.

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Gerne daheim

Als Indikator dafür ob das gelungen ist, kann die Verkehrsfrequenz beim Verlassen der Siedlung herangezogen werden. Eine Studie, die darüber im Fall Puchenau befunden hat, hat verblüffendes ergeben. Drei Viertel aller Wochenenden werden demnach zu Hause verbracht und nur einmal im Monat fährt man weg. In Wohnhochhäusern am Stadtrand von Linz ist das Verhältnis genau umgekehrt. Die Autos bleiben in Puchenau also oft in den Sammelgaragen oder -parkplätzen zurück. Die Wege im Inneren sind den Bewohnern vorbehalten, wo Kinder spielen und Straßenfeste in Szene gehen.

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Lampen angebohrt

Mehrfach wurde das Originalprojekt ergänzt und bis heute hat das Modell der Gartenstadt nichts an Attraktivität eingebüßt (siehe Fotostrecke). Wie man aber hört, haben sich im Kirchenzentrum die original Rainer`schen Lampenkonstruktionen als nicht beständig erwiesen. Vom Architekten geplant, hielten die Leuchtkörper der sich stauenden Hitze nicht stand. Ein Elektrotechniker aus der Siedlung kam aber auf die erleuchtende Idee, die Fassungen anzubohren und wenn sie nicht kaputt gegangen sind, so brennen diese Lampen noch heute. (PM)

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