Karl Friedl (M.O.O.CON) über den Unterschied von Sanieren zu Revitalisieren

Was bedeutet das Heranziehen von Lebenszykluskosten und was ist das Neue daran?

Es geht hier betriebswirtschaftlich gesprochen um die Vollkosten von Objekt und Servicequalität. Die Orte wo wir produzieren verändern sich, nur hat sich bislang die Kalkulation eigentlich nicht verändern dürfen.

Das heißt, man wird nun vor einer Investition ins Gebäude auch betrachten, wie sich das auf die gesamte Laufzeit auswirken wird?

Wir haben im Prinzip ein Werkzeug entwickelt, mit dem man vor Investitionsentscheidungen die Vollkosten simulieren kann. Dabei handelt es sich um eine breit angelegte Datenbank, mit Bauelementen also den Investitionskosten und Ersatzinvestitionen sowie mit den Betriebskosten hinterlegt ist. So kann ich mir die unterschiedlichen Varianten eines Gebäudes in ihrem Nutzen und ihren Kosten ansehen.

Für welche Entscheidungen eignet sich so etwas konkret?

Bei der Frage nach den Alternativen Neubau oder Sanierung sowie anstehenden Ersatzinvestitionen. Auch bei Entscheidungen wo es darum geht, ob ich in dem heute angemieteten Standort verbleibe oder ob es nicht vernünftiger ist, die nächsten zehn Jahre an einen anderen Standort zu wechseln, spielen die Vollkosten als zusätzliches Kriterium eine Rolle.

Sie halten auch immer wieder Vorträge, was ist dabei ihr Kernanliegen?

Mir geht es darum, ein Plädoyer zu halten, dass in Österreich und in Mitteleuropa fünfundneunzig Prozent der Gebäude bereits gebaut sind. Das heißt, dass wir uns eigentlich der Revitalisierung widmen müssen. Das ist aber eine spannende Aufgabe, wenn man sie nicht rein als Sanierung betrachtet. Ich arbeite immer wieder heraus, dass Sanierung das Fortschreiben des irgendwann einmal vor dreißig oder fünfzig Jahren definierten Nutzungskonzeptes ist. Revitalisierung ist hingegen deutlich mehr, nämlich den zukünftigen Bedarf auf die Möglichkeiten des heutigen Objektes zu übertragen und zu sagen: Vielleicht muss ich sogar was abbrechen.

Können Sie da ein konkretes Beispiel nennen?

Ja, nehmen wir das Gebäude in dem wir gerade stehen (Anmerkung d. Red.: Zentrale der Österreichische Volksbanken AG in der Kolingasse in Wien 9). Das haben wir von Beginn an, also schon in der Strategiephase begleiten dürfen. Da haben wir gesehen, dass daraus nur ein zukunftsorientiertes Bankgebäude werden kann, wenn man ein Viertel des Gebäudes abbricht. Wenn man darauf schaut, dass Strukturen neu gedacht werden, dann entstehen solche Dinge wie der Atrium-Innenhof, den es vorher gar nicht gegeben hat. Mit Funktionsplanung und paralleler Lebenszykluskostenplanung kann man immer wieder schauen, was denn die besten Alternativen für einen Bauherren sind.

Im Vordergrund steht also dann die Adaptierung auf eine neue Nutzung?

Genau, denn im Unterschied zur Sanierung ist die Revitalisierung eine Adaptierung auf ein zukunftsfähiges Nutzungskonzept.

Was ist jetzt beim großen Thema der Nachhaltigkeit aus ihrer Sicht der Schwerpunkt heutzutage?

Es ist heute schon gewiss, dass man Gebäude für einen Kreislauf produzieren sollte, sodass sie keine Schadstoffe enthalten sind und dass diese nicht jahrelang schädliche Emissionen ausstoßen, also ökologische Qualität haben. Dass es in Bezug auf Nachhaltigkeit aber auch eine zweite wichtige Säule gibt, nämlich eine soziokulturelle, das vergisst man oft.

Mag. Karl Friedl ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens M.O.O.CON GmbH mit Sitzen in Wien, Frankfurt, Hamburg und Waidhofen/Ybbs. Das Unternehmen unterstützt Bauherren im Planungs-, Realisierungs- und Betriebsprozess von Gewerbeimmobilien. Seit Anfang 2000 ist Karl Friedl Dozent zum Thema facilitäre Planung an der Donau Universität Krems. Seit 2011 ist er Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilien (ÖGNI) sowie Initiator und Sprecher des Vorstands der IG Lebenszyklus Hochbau.