Knapp Vorbeidiskutiert ist auch daneben

Da war wieder einmal eine Nachhaltigkeits-Veranstaltung für den Bausektor gewesen, die in einem Ziegelgebäude stattfand und die auch von der Ziegelindustrie gesponsert war. Nachdem die netten Beispiele durch waren, die man sich gerne gefallen ließ, kam es zu der unvermeidlichen Diskussion zum angesagten Thema, bei der einem wieder einmal die sprichwörtlichen Füße einzuschlafen drohten. Der in englischer Sprache geführte Diskurs gewann immer genauso viel an Fahrt, wie ihn die vorgefertigten Meinungen der “allgemein anerkannten Podiumsgäste” brachten.

Nachhaltigkeit als kleinster gemeinsamer Nenner

Weder war es aber am Moderator gelegen, noch am fremden Idiom, dass die Inhalte nicht zündeten. Der ins Spiel gebrachte Low-Tech-Ansatz aber auch das Gegenteil, der Smart-Building-Ansatz, konnten Podium und Publikum nicht so recht in Fahrt bringen. Die smarten Gebäude stellte der am Podium anwesende englische Architekt in der “ach-so-smarten” City Wien aber in Frage. Lob hatte er für den historisch anmutenden Veranstaltungssaal über, der althergebracht wie er ist, ohne großartige Gebäudetechnik auskommt. Ein deutscher Nachhaltigkeits-Bewertungsspezialist andererseits wäre nicht Spezialist, hätte er nicht gewusst, woran es insgesamt krankt. Der Umweg, den die Immobilienwirtschaft über die Werthaltigkeit gehen müsse, sei das Übel. Nicht als nachhaltig anerkannte Gebäude würden an Wert verlieren, während die Gebäude mit dem grünen Siegel als werthaltig angesehen werden – so die Beobachtung.

Immobilienwirtschaft bewirtschaftet Immobilien

Am Panel nicht teilgenommen hatten leider die Entscheidungsgewaltigen der Immobilienwirtschaft. Sie waren auch im Publikum nicht gesichtet worden und hatten vermutlich dringendere Termine. Bei solchen Terminen von Immobilienspezialisten werden Entscheidungen mit langfristigen Folgen getroffen. Wer damit auch nur am Rande zu tun hat, der weiß, dass dabei aber langfristig nur eine Denkart vorkommt, nämlich jene der Erträge (Revenues). Der angesprochene Wirtschaftszweig hat sich nun einmal die lohnende Errichtung und Vermarktung der Gebäude zur Aufgabe gemacht, denn so funktioniert sie schließlich die Kreislaufwirtschaft. Manch analytisch denkender Mensch möchte angesichts dessen die Lebenszykluskosten (Kosten des Gebäudebetriebs im Zyklus) auf Punkt und Beistrich ausrechnen und mit in die Kalkulation mit hinein nehmen. So lange die Verkaufstransaktionen mit Renditeabsichten einen schnelleren Kreislauf diktieren, wird sich da aber nichts Grundlegendes ändern. Umso schneller Immobilien mit Gewinn „gedreht“ werden, desto unbedeutender ist nämlich was danach mit Gebäuden geschieht („Economy stupid“).

Gebäude mit Widerstandskraft

Eine Studentin, die mit ihrer Diplomarbeit zum Thema des Abends einen Preis gewonnen hatte, gab dann so nebenbei ein neues interessantes Stichwort zum Weiterdenken und das hieß nicht Sustainability sondern Durability (Dauerhaftigkeit) und sie gab noch eines gleich drauf, das Adaptability (Anpassungsfähigkeit) hieß. Vielleicht müsste man der Vollständigkeit halber noch ein drittes, nämlich Resilience, hinzufügen. Darunter versteht man die Widerstandsfähigkeit eines Gebäudes gegenüber den sich wandelnden Ansprüchen. Das Veranstaltungsgebäude des Abends, die alte TU-Wien, dürfte einiges von all dem auf sich vereinen. Der mit Marmor getäfelte Saal produzierte zwar mächtig Widerhall und der Luster der mächtig von der Decke hängt, ließ sich kaum schalten, aber letztlich sind solche Gebäude in einer sich ständig wandelnden Welt noch so etwas wie verlässliche Konstanten an denen technischer Fortschritt sich nur in ganz, ganz langen Zyklen niederschlägt.

Kommentar – Peter Matzanetz